Das Recht auf Ladeinfrastruktur

Experteninterviews – Donnerstag, 04. Februar 2021

Power2Drive Interview mit den Rechtsanwälten Dr. Karla Klasen und Dr. Alexander Dlouhy von Osborne Clarke sowie Vorstandsmitglied Markus Emmert vom Bundesverband eMobilität

Dank der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) wird Wohnungseigentümern und Mietern seit Ende vergangenen Jahres der Einbau einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge in Deutschland erleichtert. Auch der Entwurf des Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetzes (GEIG) und die geplante Reform der Ladesäulenverordnung zielen auf den Ausbau der Ladeinfrastruktur ab.

Aktuell sind noch einige Fragen offen, Dr. Karla Klasen und Dr. Alexander Dlouhy von Osborne Clarke sowie Markus Emmert vom Bundesverband eMobilität liefern Antworten. Ergänzende Informationen finden Sie in unserem The smarter E Webinar „Ladeinfrastruktur in Deutschland: Recht und Praxis“, kostenlos hier in unserem Archiv .

Würde die Schaffung einer durch alle Miteigentümer nutzbaren Ladeinfrastruktur im Gemeinschaftseigentum den Ansprüchen der Miteigentümer gemäß dem neuen WEG genügen?

Dlouhy/ Klasen: Das lässt sich leider nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Ausgangspunkt ist, dass jeder Wohnungseigentümer angemessene bauliche Veränderungen verlangen kann, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Grundsätzlich soll ein Miteigentümer nur dann einen Anspruch haben, wenn er über einen Stellplatz verfügt, der noch nicht mit einer Lademöglichkeit versehen ist. In der Situation, in der bereits Lademöglichkeiten an den Stellplätzen vorhanden sind, geht es zunächst um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Wohnungseigentümer die Ladeinfrastruktur mitbenutzen kann. Wenn aber die Infrastruktur beschränkte Kapazitäten hat, kann ein Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Aufrüstung der Anlagen geltend machen. Generell kann die Forderung nach dem Ausbau einer bestehenden Infrastruktur aber auch als unangemessen zurückgewiesen werden. Ob das der Fall ist, lässt sich allerdings nur im konkreten Einzelfall unter Abwägung aller Umstände und Interessen beurteilen.

Haben Mieter eines Stellplatzes in einer privaten Tiefgarage Anspruch auf Ladesäulen?

Dlouhy/ Klasen: Als Mieter können Sie verlangen, dass Ihnen der Vermieter erlaubt, bauliche Veränderungen vorzunehmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Ob der

Vermieter im konkreten Fall zustimmen muss oder was für eine Ladeinfrastruktur im konkreten Fall gebaut werden darf, hängt von einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ab. Im Übrigen ist es auch denkbar, dass der Vermieter die Ladesäule selbst errichtet und im Gegenzug die Miete erhöht.

Kann eine Eigentümergemeinschaft die Installation einer Einzel-Wallbox zugunsten einer Gemeinschaftslösung (Lademanager) blockieren? Wie lange kann sie sich Zeit lassen, eine Gemeinschaftslösung zu beschließen?

Dlouhy/ Klasen: Der Anspruch des Miteigentümers betrifft nur das „Ob“ der Maßnahme, hier konkret des Einbaus von Ladeinfrastruktur. Das WEG enthält keine konkreten Reglungen über das „Wie“ der Maßnahme. Darüber entscheiden die Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Miteigentümer muss den Einbau der Ladeinfrastruktur verlangen. Dann wird der Verwalter einen entsprechenden Beschlussvorschlag in die Tagesordnung der nächsten Versammlung aufnehmen, wenn nicht ein Umlaufbeschluss gefasst wird.

Es gibt aber im Übrigen keine Vorgaben zu einem festen Zeitplan. Vielmehr müssen die Interessen der Beteiligten miteinander abgewogen werden – ein Prozess der mitunter Zeit erfordert. Sollte eine Eigentümergemeinschaft das Vorhaben wirklich blockieren, bleibt nur der Weg zu den Gerichten.

Bei einer Eigentumsrate von knapp über 50% in Deutschland: Brauchen wir nicht einen deutlichen Fokus auf den Ausbau von Ladeinfrastruktur für das Parken & Laden auf der Straße? Was ist mit dem Laden auf dem privaten/ öffentlichen Parkplätzen des Einzelhandels?

Emmert: Den Fokus gilt es dort darauf zu lenken, wo Laden prinzipiell möglich und sinnvoll ist. Speziell im urbanen Bereich ist es nicht zielführend überall einen Ladepunkt vor die Türe zu setzen, denn auch hier geht es um Verhältnismäßigkeiten. Dort wo es möglich ist, soll gebaut und investiert werden können. In den anderen Fällen braucht es Alternativen bzw. andere Lösungen. Einen Anspruch auf eine eigene Zapfsäule für Diesel und Benzin hat ja auch keiner. Es muss dem Nutzer ermöglicht werden, dass er Laden kann.

Speziell im urbanen Bereich muss es möglich sein, dass ich binnen kurzer Zeit schnell nachladen kann, dort sind Schnelllader, vergleichbar mit unseren derzeitigen Tankstellen, vollkommen ausreichend. Beispiel: Ein Nutzer fährt 20 km täglich im urbanen Bereich, was schon sehr viel ist, dann könnte er mit einem Elektrofahrzeug 10 Tage ohne nachzuladen damit fahren. Somit fährt er alle 10 Tage an einen Fast-Charger und lädt in 30 Minuten oder in Zukunft sogar noch kürzer, seinen Bedarf für die nächsten Tage nach. Idealerweise kann er dies sogar mit einem Einkauf für den täglichen Bedarf kombinieren. Der Einzelhandel hat diese attraktive Chance der Kundenbindung erkannt und investiert dort bereits.

Das Laden beim Arbeitgeber ist höchst relevant. Kennen Sie gute Beispiele von Unternehmen, die das Problem der Zugänglichkeit und der Abrechnung gelöst haben?

Emmert: Das Laden Zuhause und beim Arbeitgeber ist sehr wichtig, da dort Schätzungen zufolge über 80 % der Ladevorgänge stattfinden werden. Doch jeder Arbeitgeber bzw. dessen Stellplätze sind unterschiedlich geartet, so dass es hier keine Blaupause geben kann. So kann durchaus auch der Ladepunkt beim Arbeitgeber unter den Bereich der öffentlichen Ladeinfrastruktur fallen. Auch dies kann durchaus im Interesse eines Arbeitgebers sein. Insofern sind hier unterschiedliche Varianten möglich und bereits umgesetzt.

Wichtig ist an dieser Stelle, dass der Ladepunkt bzw. der Parkplatz entsprechend beschildert sein muss, sofern es sich um einen Zugang handelt, der nur für einen bestimmten Personenkreis nutzbar ist. Auch im Falle einer Abrechnung muss sich der Ladepunkt-Betreiber an die gesetzlichen Vorgaben halten, wie z.B. der Einhaltung des Mess- und Eichrechts und ggfs. auch der Ladesäulenverordnung.

Wie sieht es beim Arbeitgeber aus, der einen nicht durch eine Schranke abgeschlossenen Parkplatz für seine Mitarbeiter hat. Muss dieser seine Ladesäule auch abrechenbar für alle Nicht-Mitarbeiter machen?

Dlouhy/ Klasen: Sofern es sich um einen privaten Parkplatz handelt, auf dem nur Mitarbeiter parken dürfen, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, der Öffentlichkeit das Parken und Laden zu gestatten. Bei Arbeitnehmern eines bestimmten Unternehmens handelt es sich nämlich nicht um einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis, sondern um einen nach individuellen Merkmalen bestimmbaren Personenkreis.

Daher handelt es sich nach der Ladesäulenverordnung bei den Lademöglichkeiten auf dem Parkplatz nicht um öffentliche Ladepunkte. Aus der Ladesäulenverordnung ergibt sich kein Recht auf Parken! Folglich muss der Arbeitgeber nach der Ladesäulenverordnung auch keine Möglichkeiten zur Bezahlung schaffen. Bei einem Kundenparkplatz des Arbeitgebers ist dies jedoch anders zu beurteilen.

Wird das NFC-Terminal für die öffentliche Ladeinfrastruktur verpflichtend sein?

Dlouhy/ Klasen: Während der erste Reformvorschlag für die Ladesäulenverordnung aus Herbst 2020 vermuten ließ, dass Kartenlesegeräte installiert werden müssen, erlaubt der aktuelle Reformvorschlag aus Dezember 2020 auch eine browserbasierte Kartenzahlung über eine kostenlose mobile Webseite.

Wie sieht der kWh-Zeit-Tarif genau aus? Wie kann ich als Betreiber dafür sorgen, dass das Fahrzeug nach dem Laden die Säule wieder frei gibt? Ein Zeittarif wäre doch sinnvoll.

Dlouhy/ Klasen: Nach der Preisangabenverordnung ist es zwingend, dass nach kWh abgerechnet wird. Daneben kann eine Start-, Grund- oder Parkgebühr erhoben werden. So könnte der Zeittarif über ein separat zu erwerbendes Parkticket abgerechnet werden. Eine Abrechnung in zwei getrennten Systemen ist nicht zwingend nötig. Allerdings müssen beide Preisbestandteile getrennt ausgewiesen werden.

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