„Wir wollen den gesamten Strommarkt digitalisieren“

Experteninterview – 18. März 2024

Michael Seeholzer, Gründer und Geschäftsführer, Virtual Global Trading (VGT)

Die Virtual Global Trading (VGT) ist ein junges digitales Dienstleistungsunternehmen für die Energiewirtschaft mit Sitz in Aarau in der Schweiz. Das Softwareunternehmen hat eine Plattform entwickelt, die den Anspruch erhebt, die Branche zu revolutionieren, indem sie digitale Lösungen für Energieversorger und deren Endkunden bietet.

Michael Seeholzer, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, verrät, was die Plattform alles kann.

Herr Seeholzer, wie kam es zur Gründung von VGT?

Mein Mitgründer Gregor Martinovic und ich hatten uns in anderen Unternehmen mehr als zehn Jahre lang mit Systemdienstleistungen und Flexibilitäten im Stromnetz beschäftigt. Mit dem ersten Unternehmen konnten wir den gesamten Regelenergiemarkt in der Schweiz aufmischen und sättigen, daraus entstand das neue Ziel, den gesamten Strommarkt zu digitalisieren.

Somit haben wir Ende 2018 die Virtual Global Trading gegründet und revolutionieren nun die Energiebranche, indem wir die digitale Transformation voranbringen.

Das sind große Worte, aber was revolutionieren Sie genau?

Mit unserer VGT Plattform steuern wir unter anderem Anlagen der Endkunden in Bezug auf Stromverbrauch und -erzeugung. Dabei kommt auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz, die das Zusammenspiel der Anlagen und Geräte analysiert und optimiert. Das geschieht zum Beispiel auf Basis der jeweiligen Marktpreise und des Wetters, aber auch aller weiteren Faktoren, die Energieproduktion und -verbrauch beeinflussen. Die Vorteile, welche Energieversorger auf diese Weise generieren, können sie an ihre Kunden weitergeben.

Das heißt, Sie steuern zum Beispiel den Ladevorgang eines Elektroautos an der Wallbox je nach Stromangebot der eigenen Solarstromanlage, beziehungsweise gemäß den Marktpreisen am Spotmarkt?

Ja, das ist mit unserer Künstlichen Intelligenz spielerisch möglich. Jedoch geht unsere VGT Plattform viel weiter. Wichtig ist zu sagen, dass wir ausschließlich im B2B-Bereich arbeiten. Das sieht dann so aus, dass der Energieversorger unsere vielseitige und modular aufgebaute Lösung nutzt, und damit seinen Energiekunden neue Möglichkeiten mit beiderseitigem Nutzen anbietet. Der erste Schritt ist, dass die Nutzer mit unseren interaktiven Tools ihren Stromverbrauch im Blick haben.

Im nächsten Schritt können sie ihn dann optimierten, beziehungsweise durch Software optimieren lassen. So können die Kunden von günstigen Energiepreisen profitieren, während die Energieversorger wiederum die gewonnene Flexibilität nutzen können, um ihr Netz auszugleichen und die Flexibilitäten zum Beispiel an den Regelenergiemärkten anzubieten.

Sie nehmen damit offenbar auch bevorstehende Entwicklungen vorweg, wie etwa dynamische Strompreise für Endkunden?

Das gesamte Land Liechtenstein rechnet bereits mit der VGT Plattform die Einspeisung der Solarenergie ihrer Kunden mittels dynamischen Börsenpreisen ab. Die dynamischen Stromtarife führen auch bei Haushaltskunden je nach Stromangebot zu stündlich oder künftig gar viertelstündlich wechselnden Preisen. Dann wird es zum Beispiel für jeden Fahrer eines Elektroautos entscheidend, wann er seine Fahrzeugbatterien lädt. Mit unserer Software kann diese Ladung optimiert werden.

Sie sind also ein reiner Software-Anbieter?

Genau. Wir bieten eine SaaS-Lösung für Energieunternehmen. Das steht für „Software as a Service“ und umschreibt ein Cloud-basiertes Softwaremodell, mit dem die Unternehmen ihren Kunden Anwendungen über einen Internetbrowser bereitstellen. Der Kunde hat dann nur mit seinem Energieversorger zu tun, im Hintergrund aber läuft unsere Anwendung. Nebst der SaaS-Lösung sind wir auch selbst am Regelenergiemarkt mit unserer eigenen Lösung wieder tätig.

Welche Geräte und Anlagen lassen sich in Ihr System einbinden?

Machbar ist alles, was die Energieunternehmen, beziehungsweise ihre Kunden wünschen – also alle dezentralen Anlagen, wie Photovoltaikanlagen, Ladestationen, Batteriespeicher oder Wärmepumpen, sowie auch andere große Stromverbraucher. Unsere VGT Plattform ist modular aufgebaut, kann also an die individuellen Bedürfnisse der Kunden angepasst werden.

Flexibilität hat heute an den Strommärkten, die stark durch die fluktuierenden Erzeuger Wind und Solar geprägt sind, einen hohen Wert. Wie kann man als Energieversorger oder auch als Endkunde noch stärker davon profitieren?

Unsere Software ist in der Lage, Leistungen ab zehn Kilowatt am Regelenergiemarkt zu vermarkten, indem wir kleine Leistungen zusammenfassen. Wir bieten dann auch die entsprechenden Systemdienstleistungen an, von der Präqualifizierung und Vermarktung von Anlagen für Primär-, Sekundär- und Tertiärregelenergie bis hin zu komplexen Anlagengruppen, die über unsere Plattform abgewickelten werden. Die Komponenten in diesem System können von der Ladestation bis zum größten Pumpspeicherkraftwerk reichen.

Entscheidend ist, dass sich die Geräte unabhängig vom Hersteller und deren Schnittstelle auf unsere Plattform aufschalten lassen. Die Software kann mit allen erfassten Geräten interagieren und pro Datenpunkt dynamisch abrechnen.

Die Kundenabrechnung übernehmen Sie dann auch im Auftrag der Energieversorger?

Mit unserer Plattform lassen sich komplette Kundenabrechnungen erstellen. Die Plattform kann nicht nur Messdaten verwalten und die betreffenden Anlagen steuern, sie kann auch die Rechnungen auf Basis von verschiedenen Tarifen automatisch generieren. Das können klassische Energieabrechnungen für den Endkunden sein, aber auch komplexere Mieterstrommodelle können abgerechnet werden – bis hin zur E-Mobility.

Hierbei können bestehende ERP-Systeme standardisiert an unsere Plattform angebunden und im Zusammenspiel genutzt werden. [Anm: ERP steht für Enterprise-Resource-Planning, also die Planung unternehmerischer Ressourcen im Sinne des Unternehmenszwecks]

Inzwischen werden auch oft Energy-Sharing-Modelle diskutiert. Sind solche auch schon in ihre Plattform integrierbar?

Wir sprechen bei diesem Thema von „Peer-to-Peer Trading“. Damit sollen auch Laien ganz einfach über ihr Smartphone künftig Überschussstrom von ihrer Solaranlage an Nachbarn verkaufen können. Noch ist das aus regulatorischen Gründen nicht praktikabel, aber sobald der Strommarkt es ermöglicht, soll es auch ein Modul Peer-to-Peer für den dezentralen Stromhandel geben.

Das alles zeigt: Der Strommarkt wird digitalisiert und wir wollen der Branche die IT-Strukturen anbieten, die sie dazu braucht.

Was erhoffen Sie sich von der EM-Power Europe in München, auf der Sie dieses Jahr als Start-up teilnehmen?

Auf der EM-Power Europe treffen wir die Experten der Branche – und genau für die haben wir ja unsere Plattform entwickelt. Wir freuen uns auf Gespräche rund um die Digitalisierung der Energiebranche.

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