Markt- und Umsatzvolumen an öffentlichen Ladestationen

Experteninterview – Mittwoch, 14. Juli 2021

Die Neuzulassungen von Elektroautos steigen stetig, damit nimmt auch die Nachfrage nach öffentlicher Ladeinfrastruktur zu. Der Umsatz an Ladesäulen wird in diesem Jahr laut einer Analyse von EUPD Research noch unter 100 Millionen Euro liegen. Wie ist die Prognose bis 2030? Was sind die größten Umsatztreiber? Konkrete Auskunft geben Christine Koch, Research Analyst und Dr. Martin Ammon, Geschäftsführer beim Bonner Beratungshaus EUPD Research.

Was kennzeichnet aktuell den Markt für das Laden im öffentlichen Raum?

Dr. Martin Ammon:

Christine Koch & Dr. Martin Ammon

Das Laden von Elektrofahrzeugen im öffentlichen Raum ist ein neuer Markt, der erst noch seine Strukturen entwickeln muss. In unseren kontinuierlichen Marktanalysen lässt sich ein deutliches Mengenwachstum an Akteuren erkennen, die mit vielfältigen Angeboten sich in diesen Markt begeben. Vor ein paar Jahren waren hier ausschließlich traditionelle Energieversorger engagiert. Wenngleich aktuell der überwiegende Anteil der Tarifanbieter noch aus der klassischen Energiewirtschaft stammt, so stimuliert das hohe Marktpotential auch neue Anbietergruppen wie Automobilhersteller.

Eine generelle Herausforderung dieses Marktes besteht im weiteren Ausbaupfad der Infrastruktur, der mit dem hohen Tempo der Fahrzeugzulassungen Schritt halten muss. Ebenso gilt es, einheitliche Tarifstrukturen einzuführen, um für den wachsenden Kundenstamm mehr Transparenz zu schaffen.

Wo liegen die größten Unterschiede in den Tarifangeboten?

Christine Koch:

Das Feld der Tarifangebote ist breit gefächert und zeigt ein vielfältiges Spektrum. Die Angebote reichen dabei von Ad-hoc Ladetarifen für einzelne Ladesäulen bis hin zu Angeboten von regionalen und überregionalen Anbietern mit Roamingfunktion, um das Laden in ganz Deutschland zu ermöglichen. Die größten Tarifunterschiede liegen in der Ladenetzabdeckung, dem Preis und dem Zugang zum Tarif. Darüber hinaus unterscheiden sich Tarife in dem Zugang zur Nutzung von Normal- und/oder Schnellladeinfrastruktur, dem Zugang zur Ladesäule und damit verbundenen Bezahlwegen oder der Lieferung von Ökostrom an der Ladesäule.

Dabei den Überblick zu wahren ist nicht einfach, denn je nach Tarifansprüchen des Elektroautofahrers eignen sich die Tarife unterschiedlich gut. Die Herausforderung der Tarifnutzer liegt darin, den für sich richtigen Tarif zu finden und für Tarifanbieter ihre Tarifgestaltung sowohl für Ihr eigenes Geschäftsmodell vorteilhaft als auch für den Tarifnutzer attraktiv zu gestalten.

Was sind aktuelle Trends bei den Tarifangeboten?

Dr. Martin Ammon:

In den letzten Jahren hat sich bspw. das Angebot an Flatratetarifen deutlich reduziert und klassische Tarifmodelle setzen sich zunehmend durch. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben wurden Tarife auf Basis reiner Standgebühren nun in Abrechnungsmodelle nach tatsächlich geladener Strommenge umgewandelt. Trotz allem haben nun vereinzelt Anbieter neue Kostenkomponenten wie Blockiergebühren eingeführt, die entsprechend die geladene Kilowattstunde deutlich verteuern können.

Neue Anbietergruppen wie Automobilhersteller nutzen zudem die Ladestromtarife als Elemente der Kundenbindung. Entsprechend gibt es mittlerweile verschiedene Tarife, die ausschließlich für Besitzer bestimmter Automobilmarken zugänglich sind. Insgesamt zeigen sich die bisherigen Tarifstrukturen als wenig stabil. Neben Anpassungen der Preiskomponenten sind auch die weiteren Tarifdetails einem stetigen Wandel unterworfen.

Inwiefern beeinflussen gesetzliche Rahmenbedingungen die Entwicklung der öffentlichen Ladeinfrastruktur und dementsprechend Tarifangebote? (ggf. Bezug zum Schnellladegesetz, Eichrechtsverordnung, Förderungen Elektroautos etc.)

Christine Koch:

Die Entwicklung der Ladeinfrastruktur und die dazugehörigen Tarifangebote sind noch in der Ausbauphase, um zukünftig nicht nur der Minderheit zugängig zu sein, sondern Massentauglich zu sein. In der Öffentlichkeit steht der Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Kritik unzureichend zu sein und zu schleppend voranzuschreiten. Gründe dafür liegen auch in den gesetzgebenden Rahmenbedingungen, um einen einheitlichen Rahmen beim öffentlichen Laden zu schaffen. Dadurch kommt es beispielsweise an der bestehenden Ladeinfrastruktur zu Um- oder Nachrüstungen, welche Verzögerungen im Ausbau mit sich bringen, wie die Umsetzung der verpflichtenden Eichrechtskonformität zeigt.

Darüber hinaus liegt der zukünftige Fokus vor allem auf dem Ausbau der Schnellladeinfrastruktur, damit die Fernfahrinfrastruktur gewährleistet werden kann. In der Tarifstruktur bedeutet dies zum einen eine Transformation von ehemals kostenlosem hin zu kostenpflichtigen Laden. Zum anderen werden die Kosten für den Ausbau der Ladeinfrastruktur auf die Ladepreise umgelegt, sodass dies bspw. in unterschiedlichen Ladepreisen für AC, DC oder HPC Ladesäulen resultiert.

Was ist das aktuelle und zukünftig zu erwartende Umsatz- und Marktvolumen (bis 2030) für das öffentliche Laden?

Dr. Martin Ammon:

Wenngleich sich die Zulassungszahlen für elektrisch angetriebene Pkw von einem Rekord zum nächsten bewegen, so wächst der Markt für Elektromobilität von einer geringen Basis aus. Entsprechend ist gegenwärtig das Marktvolumen mit 21 Millionen Euro in 2020 und 72 Millionen Euro im aktuellen Jahr noch übersichtlich. Mit dem wachsenden Bestand an Elektrofahrzeugen wird für die Periode bis 2025 ausgehend von 2021 jedes Jahr nahezu eine Verdoppelung des Marktvolumens antizipiert. Im Jahr 2030 wird ein deutschlandweiter Umsatz an öffentlichen Ladestationen von 3,3 Milliarden Euro prognostiziert.

Trendfaktor Elektromobilität: Welche Faktoren beeinflussen das Umsatz- und Marktvolumen bis 2030?

Christine Koch:

Die Einflussfaktoren für ein steigendes Umsatz- und Marktvolumen sind vielfältig. Der derzeitige Boom an Elektroautos und das steigende Bewusstsein für Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit wird auch in den nächsten Jahren wachsen. Dementsprechend kommt es zu einer rasant ansteigenden Nachfrage am Laden im öffentlichen Raum. Darüber hinaus zeigt sich eine Verschiebung von einem bisherigen hohen Anteil des Ladens im privaten Raum hin zu einem steigenden Anteil am Laden im öffentlichen Raum. Zum anderen wird es durch den Ausbau und den hohen Investitionskosten der Ladeinfrastruktur in Zukunft zu Preiserhöhungen kommen und steigende Stromkosten treiben die Ladepreise zusätzlich in die Höhe.

Daneben werden Elektroautos zukünftig durch gesteigerte Reichweiten vermehrt zu Fernfahrten genutzt, sodass es auch in der Ladeinfrastrukturnutzung zu Verschiebungen kommt. Während heute das Laden an Normalladesäulen den deutschen Markt dominiert und günstige AC-Ladetarife mit sich bringt, werden zukünftig E-Auto-Ladungen an Schnellladepunkten mit teureren DC- und HPC-Tarifen erfolgen und den Umsatz an den Ladesäulen steigern.

Die Marktdurchdringung von E-Mobilität wächst und somit ändert sich auch die Kundengruppe, von Early Adopters hin zu der Early Majority. Welche Änderungen bringt dies für Elektromobilität mit sich?

Dr. Martin Ammon:

Die Kundengruppe der Elektromobilnutzer verändert sich strukturell. Während zu Beginn Elektroautos äußerst kostenintensiv waren und das öffentliche Laden kaum möglich war, begrenzte sich die Elektromobilität auf Einkommensstärkere Eigenheimbesitzer. Mit der Modelloffensive der Automobilhersteller und einer wachsenden Anzahl von bezahlbaren Klein- und Mittelklassefahrzeugen, hat sich das Klientel der Elektromobilität verändert und erreicht vermehrt auch Bewohner von Mehrfamilienhäusern.

Ohne eigenen Stellplatz wird für diese Gruppe das Laden an öffentlichen Ladestationen zum Normalfall als zur Ausnahme. Mit dem beginnenden Massenmarkt der Elektromobilität müssen zudem die Tarifstrukturen zum öffentlichen Laden alltagstauglicher werden. Die Kunden erwarten transparente, einfache Tarife, die auch eine Fahrt quer durch Deutschland oder darüber hinaus nicht zum Abenteuer werden lassen. Strom laden muss so einfach werden, wie das klassische Tanken heute an der Tankstelle ist.

Über die Vergleichsanalyse mobiler Ladestromtarife 2021

Die Vergleichsanalyse mobiler Ladestromtarife 2021 ist die dritte Ausgabe der Studie von EUPD Research. Die Studie liefert jährlich einen detaillierten, umfassenden Status quo zur Marktsituation der mobilen Ladestromtarife in Deutschland. In einer umfangreichen Analyse werden die aktuell verfügbaren Tarife erfasst und die jeweils 15 vorteilhaftesten Tarife unter den drei Fahrprofilen im Detail dargestellt und verglichen. Weitere Informationen zu den Inhalten der Studie erhalten Sie hier: Vergleichsanalyse mobiler Ladestromtarife 2021

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