Nachfrageseitige Flexibilität – wenig Aufwand, viele Vorteile

Branchenneuigkeiten – 23. November 2022

Die Studie von SmartEN zeigt auf, wie die Flexibilität von Prosumern und Verbrauchern die Energiewende voranbringen kann.

Weniger Netzausbau, weniger Abregelung von Erneuerbaren Energien, weniger Kosten – die Vorteile einer verstärkten Nutzung von nachfrageseitiger Flexibilität (Demand Side Flexibility, DSF) sind groß. Trotzdem spielt sie bei politischen Entscheidungen immer noch eine untergeordnete Rolle, auch weil ihr Potenzial für die Energiewende und den Klimaschutz bislang nicht mit Zahlen belegt war. Das hat der europäische Unternehmensverband smartEn Europe, Partner der EM-Power Europe, nun mit einer Studie geändert.

Der Bericht gibt Antworten auf die Frage, wie groß das Potenzial von DSF in den 27 EU-Ländern bis zum Jahr 2030 ist und quantifiziert die Vorteile in Bezug auf Kosten und eingesparte Emissionen. Das mit der Studie beauftrage Beratungsunternehmen DNV hat dafür zwei Modellvarianten verglichen, eine mit Ausnutzung des vollen Potenzials von DSF von Gebäuden, Elektromobilität und Industrie und eine ohne DSF.

Einsparpotenziale in Milliardenhöhe

Demnach ließen sich allein bei den Netzausbaukosten durch DSF jedes Jahr zwischen 11,1 und 29,1 Mrd. € einsparen. Das entspricht 27–80% des heute prognostizierten Investitionsbedarfs in Nieder- und Mittelspannungsnetze im Zeitraum zwischen 2023 und 2030, die nötig sind, um die wachsende Stromnachfrage zu decken und Erneuerbare-Energien-Anlagen zu integrieren. Verbraucher könnten durch geringere Netzkosten und Strompreise jährlich bis zu 71 Mrd. € einsparen. Darüber hinaus könnte DSF im Jahr 2030 die Abregelung erneuerbarer Energien in einer Größenordnung von 15,5 TWh vermeiden, das entspricht 61% weniger Abregelung als im Szenario ohne DSF. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2021 knapp 3% der erneuerbaren Energien im Rahmen von Einspeisemanagement-Maßnahmen abgeregelt, insgesamt 5,8 TWh Strom. Durch die bessere Ausnutzung erneuerbarer Energien ließen sich 37,5 Mio. t Treibhausgase einsparen, das sind 8% weniger Emissionen als ohne DSF, wodurch der Stromsektor sein Ziel "55% bis 2030" sogar übertreffen könnte.

Aber auch auf die Versorgungssicherheit wirkt sich DSF positiv aus. So legt die Studie nahe, dass im Szenario ohne DSF mindestens 60 GW an Erzeugungskapazität fehlen, um die Versorgungssicherheit während Nachfragespitzen zu gewährleisten. Über Lastverschiebung und -beschränkung könnten diese Nachfragespitzen ausgeglichen und so jährlich 2,7 Mrd. € für die Installation von teuren Spitzenlastkraftwerken eingespart werden.

Wärmepumpen und E-Mobilität ganz vorne

In seinen Berechnungen kommt DNV für das Jahr 2030 auf ein verfügbares Potenzial von 164 GW aufwärtsflexiber Leistung (upward flexible power) und 130 GW abwärtsflexibler Leistung (downward flexible power). Aufwärtsflexibel bedeutet, dass die Stromproduktion bzw. -abgabe erhöht oder die Nachfrage verringert wird, abwärtsflexibel heißt, die Stromproduktion wird gedrosselt bzw. der Verbrauch erhöht. Bei einer prognostizierten Spitzenlast von 752 GW in den 27 EU-Ländern im Jahr 2030 entspricht die flexible Leistung einem Anteil von 22% bzw. 17%. Anhand von Simulationen hat DNV außerdem berechnet, dass 2030 397 TWh Aufwärtsflexibilität und 340 TWh Abwärtsflexibilität (upward bzw. downward flexibility) aktiviert werden können.
Das größte Potenzial für die Bereitstellung von Flexibilität liegt laut der Studie beim elektrischen Heizen in Privathaushalten gefolgt von Smart Charging. Weitere Quellen für DSF, die berücksichtigt wurden, sind Fern- und Prozesswärme (KWK), Laststeuerung in der Industrie (Demand-side Response) und Batteriespeichersysteme behind the meter.

Als Grundlage für die Berechnungen gehen die Autoren von einem Strombedarf von 4.081 TWh im Jahr 2030 aus. Dieser setzt sich zusammen aus 2.858 TWh konventionellem Verbrauch von Haushalten, Gewerbe und Industrie. Dazu kommen zusätzlich 151 TWh für die Elektrifizierung des PKW-Verkehrs, 510 TWh für Wärmeerzeugung durch Strom und 562 TWh für die Herstellung von Wasserstoff nach dem REPowerEU Plan, der eine Produktion von 10 Millionen Tonnen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen in 2030 vorsieht. (SP)

Wenn Sie mehr zum Thema Demand Side Flexibility umd der Arbeit von SmartEN erfahren möchten, schauen Sie sich unser Interview mit Michael Villa, Executive Director von smartEn auf unserem Youtube-Kanal an!

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