Rechtsrahmen Ladeinfrastruktur in der Immobilienwelt / Gesellschaft

Experteninterviews – Donnerstag, 03. Dezember 2020

Die Elektromobilität in Europa und Deutschland boomt.Als Wirtschaftsstandort profitiert Deutschland dabei vom Ausbau von Ladeinfrastruktur im öffentlichen und privaten Bereich. BEM-Vorstand Markus Emmert spricht im Interview über bevorstehende Gesetzesänderungen, Marktchancen und Geschäftsrisiken.

Markus Emmert, Vorstandsmitglied des Bundesverband eMobilität (BEM)

Herr Emmert, wo steht Deutschland im aktuellen Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn, von wem können wir lernen und welche neuen Märkte entstehen gerade?

Emmert: Deutschland ist auf einem guten Weg, nachdem man lange der Musik hinterherlief. Aktuell versuchen wir noch rechtzeitig auf den Zug aufzuspringen, welcher bereits rasant an Fahrt aufgenommen hat. Innerhalb von Europa liegen wir im Mittelfeld. Richtig ist aber, dass wir im Bereich der Ladeinfrastruktur ein gigantisches Potential vor uns haben, wenn wir die Dinge richtig anpacken. Hierbei geht es um Wirtschaft und um einen gigantischen Jobmotor. Im Jahr 2019 haben wir bereits veröffentlicht, dass allein im Bereich der Ladeinfrastruktur mehr als 255.000 neue Arbeitsplätze entstehen werden.

Dank der Reform des Wohnungseigentümergesetzes (WEG) wird Wohnungseigentümern und Mietern ab 01. Dezember 2020 der Einbau einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeug In Deutschland erleichtert. Auch das bereits beschlossene Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG), abgeleitet aus der EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD), zielt in der Immobilienwelt darauf ab, dass der langsame Ausbau der Ladeinfrastruktur dort nicht zum Bremser der Mobilitätswende in Deutschland wird.

Was sind hier die relevantesten Neuerungen für Gewerbetreibende, Wohnungsbaugenossenschaften und Investoren, insbesondere auch im Hinblick auf 2021?

Emmert: Die Novellierung des WEG war der erste Schritt, in welchem dem Mieter bzw. Teil-/Eigentümer der Einbau einer Ladeinfrastruktur gestattet werden muss, sofern nicht triftige Gründe dagegen sprechen. Und seit dem 24.11.2020 wird die private Ladeinfrastruktur auch bundesweit gefördert, sofern sie den Richtlinien entsprechen, wie z.B. Regelbarkeit, 11kW Ladeleistung, Typ2 Stecker und die Kosten sich auf mindestens 900,- € belaufen. Der Gesetzesentwurf des GEIG liegt schon seit langem der Regierung vor, jedoch kam es bislang zu keinem Abschluss bzw. Konsens. Hier wird noch kontrovers diskutiert. Das GEIG bezieht sich weitestgehend darauf welche Quoten bei Wohn- und Nichtwohngebäuden zu erfüllen sind. Konkret bedeutet das, wie viele Ladepunkte für Neubauten und den Bestand errichtet bzw. erschlossen werden müssen.

Nachfrage: Ist das GEIG oder auch die überarbeitete Ladesäulenverordnung ausreichend für einen flächendeckenden Ausbau von Lademöglichkeiten, wo sind bestehende Hemmnisse?

Emmert: Zunächst einmal muss man differenzieren. Das GEIG betrifft den „privaten“ Bereich und die Ladesäulenverordnung (LSV) regelt den öffentlichen Bereich. Hierbei wird nochmals unterschieden in die uneingeschränkte und die eingeschränkte öffentliche Ladeinfrastruktur. Beide dienen dazu den Ausbau von Ladeinfrastruktur zu regeln und durchaus auch zu beschleunigen. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die öffentliche Ladeinfrastruktur den Anforderungen des Nutzers gerecht wird und jeder uneingeschränkt Zugang zu einem Ladepunkt erhält, punktuelles Laden zu jederzeit für jedermann gewährleistet ist und die Funktionalität (Verlässlichkeit) der Ladeinfrastruktur gegeben ist. Ebenso wichtig ist die Preistransparenz und faire Preise an den Ladepunkten. Im „privaten“ Umfeld ist es wichtig, dass auch künftige Nutzer und Parkberechtigte nicht ausgegrenzt werden, Zuhause und beim Arbeitgeber. Bekannt ist, dass ca. 80% zuhause oder beim Arbeitgeber laden und ca. 15% an öffentlichen Ladepunkten, was aber nicht bedeutet, dass dies eine Verschiebung der Wertigkeit darstellt. Ganz im Gegenteil, beide Varianten sind mindestens gleich bedeutsam. Ein weiterer Punkt ist die Herkunft der Energie, sprich Erneuerbare Energien. Mit Ausbau der Ladeinfrastruktur muss auch der Ausbau von Erneuerbaren Energien voranschreiten, damit eFahrzeuge auch mit 100% Grünstrom auf den Straßen fahren können.

Welche weiteren Maßnahmen bzgl. der eMobilität können wir, abgeleitet aus der EU-Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD) zur Steigerung der Energieeffizienz in Wohn- und Nicht-Wohn-Gebäuden, in den kommenden Jahren erwarten?

Emmert: Die Gebäude und die „Verbraucher“ werden als energetisches Ökosystem betrachtet werden und bestehende Potentiale sollen besser genutzt werden können. So kann beispielsweise das Potential eine eFahrzeugs als eStehfahrzeug oder besser gesagt als mobiler Energiespeicher besser in der Gesamtarchitektur des Stromflusses berücksichtigt werden. Eben um z.B. Energie zur geeigneten Zeit aufzunehmen bzw. bei Bedarf abzugeben. Die Unterschiedlichen Komponenten bilden dann eine Symbiose und können gegenseitig zugunsten der Energieeffizienz beitragen.

In den BEM-Arbeitsgruppen geht man von einem durchschnittlichen Energiebedarf von 6,4 kWh pro Tag (Fahrstrecke 40km/ Tag und Verbrauch 16 kWh/ 100km) für ein batterieelektrisches Fahrzeug (BEV) in Deutschland aus, was mit einer normalen Ladeleistung von z.B. 11 kW innerhalb einer Stunde locker nachgeladen werden kann. Die vielbeschriebene Reichweitenangst ist längst hinfällig. Aus Nutzersicht ist vielmehr die Verfügbarkeit von Ladesäulen relevant, d.h. im öffentlichen Raum immer eine funktionstüchtige und zugängliche Ladeinfrastruktur vorzufinden. Was heißt das für die absolute Anzahl an Lademöglichkeiten für die 14 Millionen BEV in 2030?

Emmert: Nach unseren Hochrechnungen und Analysen haben wir einen Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur für 20 Mio. eFahrzeuge von ca. 400.000 Ladepunkten. Davon ca. 100.000 Schnellladepunkte, welche mindestens 100kW Ladeleistung je Ladepunkt vorweisen. Entscheidend ist hier der Gleichzeitigkeitsfaktor. Im „privaten geschlossenen“ Umfeld sollte im Durchschnitt mindestens jeder 3te private Stellplatz mit einer Ladeinfrastruktur ausgerüstet sein.

Um die Kosten für die Kilowattstunde auf einem sinnvollen Niveau halten zu können, ist für die Betreiber von Ladestationen die ausreichende Belegung der Ladeinfrastruktur wirtschaftlich zentral. Welches Verhältnis von Ladepunkten zu Elektroautos wird denn als passender Ladeschlüssel aus Betreibersicht benötigt? Und inwiefern wären staatliche Erleichterungen (z.B. Subvention des Ladestroms) notwendig um den jetzigen Betreibern eine realistische Amortisationszeit bei annehmbaren Strompreisen zu bieten?

Emmert: Zunächst einmal muss man sich anschauen wie sich die Kosten zusammensetzen. Das sind die Strombezugskosten nebst Nebenkosten wie Stromsteuer, EEG-Umlage, Netzentgelte usw., die Umlagekosten für die Hardware, den Netzanschluss ggfs. Verteiler und Trafos sowie die Kosten für Wartung, Monitoring, Instandsetzung, Ertüchtigung und die Kosten für die Abrechnung und die Kosten für den Betreiber / Service. Zum Zweiten kommt es auf den Standort und die Auslastung an. Bei einem Fastcharger können mehrere Kunden bedient werden, wohingegen bei einem Normallader physikalisch nur eine begrenzte Menge an Nutzern bedient werden kann. Ladeinfrastruktur ist aber ein Bedürfnis der Allgemeinheit und zwar an jedem Ort in Deutschland/Europa, sprich auch in Regionen, in welchen die Frequenz eher geringer ist und trotzdem muss der Preis auch hier bezahlbar sein und die Wirtschaftlichkeit gegeben sein.

Aus diesem Grund haben wir auch jüngst vorgeschlagen, dass die wesentlichen Kosten (Hardware, Netzanschluss, Netzertüchtigung, Trafo…) vom Bund getragen werden und durch eine definierte Umlage finanziert wird. Die aktuelle „Dieselsubvention“ in Höhe von ca. 7 Milliarden Euro pro Jahr könnte hier ein gutes Mittel sein, um die Kosten zu kompensieren. Die Betreiber, welche auch weiterhin dem freien Wettbewerb unterliegen sollen, könnten somit deutlich besser planen und günstigeren Ladestrom anbieten. Ebenso haben wir auch das BMWi aufgefordert ein Preistransparenzregister für den Ladestrom einzuführen. In einem anderen Szenario den Ladestrom zu subventionieren wäre eine weitere mögliche Maßnahme. Dies wäre aber nicht notwendig, wenn wir uns dazu entschließen würden, die Ladeinfrastruktur auf die Netzseite zu verlagern und sie damit netzentgeltumlagefähig zu machen.

Um möglichst viele E-Autos pro Ladepunkt laden zu können, müssten diese eigentlich direkt nach dem Ladevorgang wieder freigemacht werden. Wird es also beim „New Normal der Mobilität“ dazugehören, den Ladeplatz direkt nach dem Ladevorgang zu räumen oder welche Art von Lade+Park Lösungen wird sich in den kommenden Jahren Ihrer Meinung nach etablieren?

Emmert: Wir brauchen speziell an den Schnellladestationen sogenannte „Drive-Through“ Ladepunkte, welche schnell angefahren werden können (egal mit welchen Fahrzeugen. Auch Gespanne und Nutzfahrzeuge) und nach einem kurzen Ladevorgang, der in der Zukunft nur noch wenige Minuten dauern wird, den Ladepunkt wieder freizugeben. Bei Normalladepunkten sieht es anders aus, dort reden wir meist von Langzeitladen (Shoppen, Meetings, Nachtladen & Co.).

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