„Alte Akkus werden nicht einfach in den Müll geworfen“

Experteninterview – Donnerstag, 08. April 2021

Sebastian Henßler, Chefredakteur von elektroauto-news

Zu teuer, zu gefährlich, klimaschädlich in der Produktion: Gegen Elektroautos gibt es viele Bedenken. Wir haben Sebastian Henßler, Chefredakteur von elektroauto-news gefragt, was wirklich dran ist. Stimmen die größten Vorurteile gegen E-Autos?

Sind Elektroautos nach wie vor teurer als Verbrenner?

Berücksichtigt man die Elektroauto-Kaufprämie (Bundesregierung/ Hersteller) sowie die Innovationsprämie der Bundesregierung sind viele E-Autos bereits heute deutlich günstiger als vergleichbare Verbrenner. Eine aktuelle Studie von PwC vermag zudem aufzuzeigen, dass bereits ab 2024 E-Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse auch ohne Förderung mit einem Kostenvorteil rechnen können. Des Weiteren profitieren die E-Autos von einem günstigeren Unterhalt als vergleichbare Verbrenner, dank niedriger Wartungs- und Fixkosten sowie einem geringen Wertverlust. Berechnungen des ADAC zeigen zudem auf, dass Elektroautos unter Berücksichtigung aller Fahrzeugkosten immer häufiger besser abschneiden als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

Aktuell hört man immer wieder von Lieferschwierigkeiten von Stromern. Muss ich wirklich Monate auf meinen Neuwagen warten, bis ich ihn fahren kann?

In der Tat ist es so, dass eine Vielzahl von Elektroautos derzeit nicht lieferbar sind, beziehungsweise nur mit entsprechend hohen Lieferzeiten, welche sich im Zeitraum von fünf bis sieben Monate bewegen. Dies wird dadurch begründet, dass gerade zum Jahresende 2020 eine Vielzahl von Stromern auf die Straße gebracht wurde, um möglichst viel zum Erreichen der jeweiligen CO2-Flottenziele der Hersteller beizutragen. Zudem scheint es so, dass die Hersteller selbst von der überraschend hohen Nachfrage überrascht wurden und dementsprechend erst einmal weitere Produktionskapazitäten im eigenen Fertigungsnetzwerk schaffen müssen.

Jedoch gilt es auch zu beachten, dass vergleichbare Verbrenner, welche individuell konfiguriert werden auf ähnlich lange Lieferzeiten kommen können. Es gilt somit einen fairen Vergleich zwischen den Antriebsalternativen anzustreben.

Gibt es aktuell zu wenig gut erreichbare Ladesäulen?

Die Frage sollte eher lauten, sind die Ladestationen dort vorhanden, wo die Menschen ihre E-Autos auch tatsächlich laden. Und diese Frage lässt sich derzeit wohl eher noch mit einem Nein beantworten. Denn mehreren Studien zufolge werden zwischen 80 und 90 Prozent der E-Autos zu Hause geladen. Der Ausbau der privaten Ladeinfrastruktur wird daher auch seit Ende November 2020 entsprechend gefördert. 900 Euro pro Ladepunkt (inkl. Installation) werden bezuschusst. Dass dies ankommt zeigt eine mehrmalige Erhöhung der Fördersumme, als auch die Tatsache, dass bereits in der ersten Woche rund 94.000 Förderanträge eingegangen sind.

Ist die Produktion von Elektroautos schädlicher für die Umwelt als die von Verbrennern?

Spätestens seit der 2017 erschienenen und medial forcierten „Schweden-Studie“ wird die Ökobilanz von Elektroautos immer wieder kritisch hinterfragt. Zwar wurden die Ergebnisse der Studie 2019 weitestgehend aktualisiert und relativiert, dennoch erfordert gerade die Herstellung der Batteriezellen einen hohen Energiebedarf. Werde dieser nicht über Erneuerbare Energien gedeckt, starte das E-Auto mit einem größeren CO2-Rucksack ins Leben als ein Verbrenner, zeigen diverse Untersuchungen.

Jedoch gilt es den kompletten Lebenszyklus eines E-Autos beziehungsweise Verbrenners zu betrachten, um eine Aussage über die Klimafreundlichkeit des Fahrzeugs treffen zu können. So weisen E-Autos, nach einer aktuellen Studie der Technischen Universität Eindhoven, über ihren Gesamtlebenszyklus eine um 50 bis 80 Prozent bessere CO2-Bilanz auf als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf. Hierbei gilt es als Fahrer eines Stromers vor allem darauf zu achten mit Ökostrom zu laden, um die Klimabilanz des eigenen Fahrzeugs entsprechend zu verbessern.

Was ist mit den Vorwürfen bezüglich der fehlenden Nachhaltigkeit? Gerade an wenn wir an die Herstellung der Batterien und die Gewinnung von Rohstoffen wie Lithium denken, gibt es teils massiv Kritik. Was können Sie hier entgegnen?

Auch hier kommt es abermals auf die richtige Betrachtung der Fakten und Daten an. Zudem gilt es zu bedenken, dass die Branche entsprechende Entwicklungen anstrebt, um die Nachhaltigkeit beim Abbau von Rohstoffen zu verbessern. Zur Einordnung: Für die Herstellung einer mittelgroßen Autobatterie werden rund 3.840 Liter Wasser verbraucht. Bereits eine einzelne Jeans liegt dagegen bei einem virtuellen Verbrauch von 11.000 Litern. Zukünftig soll der Wasserverbrauch für die Lithiumförderung noch weiter reduziert werden. So plant beispielsweise das chilenische Chemieunternehmen SQM, als einer der größten Lithium-Produzenten der Welt, den eigenen Wasserverbrauch bis 2030 um 40 Prozent zu verringern.

Was passiert mit alten Akkus? Ein Vorurteil besagt ja, dass diese im Müll landen und der Umwelt schaden?

Alte Akkus werden nicht einfach in den Müll geworfen. Hierfür sind diese zu wertvoll. Alleine schon wegen der recyclebaren Rohstoffe, welche in den Lithium-Ionen-Batterien vorzufinden sind. Daher spielen sowohl Second Life-Einsatz als auch die Wiederverwertung der Rohstoffe in der Elektrostrategie vieler Autohersteller eine zentrale Rolle.

Um ein praktisches Beispiel hierfür aufzuführen: Im November 2020 nahm VW in Salzgitter eine eigene Recycling-Anlage, in der wertvolle Rohmaterialien wie Nickel, Mangan, Kobalt, Kupfer oder Aluminium zurückgewonnen und bis zu 90 Prozent der Batterie der Wiederverwertung zugeführt werden sollen, in Betrieb. Langfristig peilt VW sogar eine Recyclingrate von 97 Prozent an. Ähnliche Schritte gehen auch deren Marktbegleiter.

Kritiker behaupten, der Umstieg auf die E-Mobilität kostet Arbeitsplätze und bringt einen ganzen Wirtschaftszweig in Gefahr. Was ist da dran?

Klar ist, es wird zu Veränderungen am Arbeitsmarkt kommen. Denn der Ausbau der Elektromobilität bedeutet einen Umbruch für die Automobilindustrie, eröffnet aber gleichzeitig enorme Chancen für die Branche und den Arbeitsmarkt. Ob neue Produktionsstandorte für die Fahrzeug- und Batterieherstellung, neue Produktionskapazitäten oder neue fertigungstechnische Anforderungen – gefragt sind vor allem Fachkräfte für den Auf- und Ausbau innovativer Schlüsseltechnologien, um einen ganzen Wirtschaftszweig fit für die Zukunft zu machen.

So schätzt etwa der Bundesverband eMobilität, dass allein bis Ende des Jahrzehnts 255.000 zusätzliche Fachkräfte für den Aufbau der Ladeinfrastruktur benötigt werden. Es ist somit durchaus richtig, dass Arbeitsplätze und Berufe wegfallen, welche wir heute kennen. Hierfür wird es aber wieder neue Berufsbilder und Arbeitsplätze in Zukunft geben.

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