Experteninterview – "Die große Welle wird in knapp zehn Jahren kommen“

Experteninterview – 14. Oktober 2021

Interview mit Prof. Dr. Achim Kampker, Leiter des Lehrstuhls „Production Engineering of E-Mobility Components“ (PEM) der RWTH Aachen, über Stand und Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien.

Herr Prof. Dr. Kampker, wo stehen wir aktuell beim Recycling von Lithium-Ionen-Batterien?

Es gibt mittlerweile viele kleinere Unternehmen, die sich mit dem Recycling von Lithium-Ionen-Batterien beschäftigen, beispielsweise Ausgründungen aus Universitäten, aber auch größere, sogenannte OEM. Bei den Automobilherstellern fängt man nun auch an, sich massiv damit zu beschäftigen. Die Recycler selbst haben aktuell noch eine etwas abwartende Haltung, aber auch dort kommt jetzt langsam Tempo rein, so dass die Kapazitäten ausgebaut werden können. Es ist alles noch ein bisschen träge, langsam kommt aber Bewegung rein.

Wofür brauchen wir denn überhaupt das Recycling von Batterien?

Die Frage ist: Was soll sonst mit den alten Batterien passieren? Wir wollen ja Prozesse schließen, eine Kreislaufwirtschaft herstellen. Immer, wenn ich etwas aus dem Boden nehme, hat es prinzipiell negative Auswirkungen auf die Umwelt und häufig auch in den sozialen Bereichen. Deshalb macht es höchstgradig Sinn zu versuchen, möglichst viel von den Rohstoffen aus den gebrauchten Batterien am Ende des Lebenszyklus wieder herauszuholen. Und das möglichst nachhaltig.

Bei vielen Menschen besteht die Vorstellung „Sobald ein E-Auto kaputt ist, muss man die Batterie recyceln“. Ist das wirklich so?

Falls die Batterie wirklich kaputt ist, dann schon. Wenn sie aber nicht defekt ist, sondern nur in der Performance schwächelt, zum Beispiel mit Blick auf die Speicherkapazität, kann sie weiterverwendet werden. Sobald sie unter 80 Prozent fällt, sollte die Batterie aus dem Fahrzeug heraus, weil die herkömmliche Reichweite dann nicht mehr realisierbar ist, die zu Beginn des Lebenszyklus vorgegeben wird. Die Batterie ist aber natürlich noch nutzbar. Dann redet man von „Second Life“, einem „zweiten Leben“, das die Batterie vielleicht im stationären Bereich erhalten soll. Die Reparatur von Batterien wird künftig immer wichtiger werden, um den ersten Lebenszyklus zu verlängern. Aber dieser Second-Life-Zyklus kann die Gebrauchszeit verdoppeln. Wenn man von acht bis zehn Jahren im Fahrzeug spricht, kann man im Idealfall noch mal eine ähnliche Größenordnung für ein „zweites Leben“ hinbekommen. Natürlich wird dabei viel über Geschäftsmodelle diskutiert, gerade auch in Bezug auf die Wirtschaftlichkeit. Aber ich gehe davon aus, dass hier kluge und gute Anwendungen gefunden werden.

Stichwort „Geschäftsmodelle“: Ist das Recycling von Batterien aktuell wirtschaftlich sinnvoll?

Derzeit noch nicht, perspektivisch aber auf jeden Fall. Aufgrund der geringen Mengen, die aktuell zurückfließen, sind es noch keine hoch skalierten Prozesse, so dass auch die Situation entsteht, dass ich bezahlen muss, sobald ich eine Batterie abgebe. Dadurch ist es momentan mit Sicherheit nicht wirtschaftlich abbildbar. Wenn man aber die Prozesse entwickelt und das mit größeren Mengen simuliert, sind wir sehr zuversichtlich, dass es tatsächlich ein sinnvolles Geschäftsmodell ist, sowohl auf Seiten der Energiebilanz als auch auf der kommerziellen Seite.

Bis wann rechnet man dann wirklich mit der großen Welle?

Da gibtʼs ja zwei Zahlen. Das eine ist: Wenn die ersten in Verkehr gebracht wurden, berechnet man, wann die Batterien über den Lebenszyklus hinweg ausfallen – vermutlich kommt da der große Schwung dann in zirka acht bis zehn Jahren. Als Zweites müssen wir mit in Betracht ziehen, dass wir uns mit Blick auf die Zahl der Fahrzeuge bisher in einem kleinen Prozentbereich befinden, was den Anteil an Gesamtfahrzeugen betrifft. Auch hier wird eine große Welle in zehn bis 14 Jahren kommen.

Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass die Batterien recycelt werden müssen: Wieviel Prozent des Rohstoffs kann man in der Regel zurückgewinnen?

Das ist von den Prozessen abhängig. Aktuell können rund 75 Prozent recycelt werden. Das hat auch mit den Unterstoffen zu tun, das heißt: welche Materialien enthalten sind. Ist es Silizium, Nickel oder Kobalt? Da habe ich natürlich etwas andere Quoten, jeweils aber durchschnittlich rund 75 Prozent.

Was ist das Limit, das man erreichen kann?

Theoretisch kann man wahrscheinlich auch die 90 Prozent knacken, das ist aber eher ein theoretischer Wert.

Ausführlichere Informationen über den Stand und die Perspektiven des Recyclings von Lithium-Ionen-Batterien verrät Prof. Dr. Achim Kampker im The smarter E Podcast .

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